Oct 27, 2025
Kriechen ist die langsame, dauerhafte plastische Verformung eines festen Materials unter konstanter Belastung über die Zeit. Für Torsionsfedern aus Edelstahl Kriechen äußert sich in einer allmählichen Abnahme des Rückstellmoments (in der Fachsprache Spannungsrelaxation bei konstanter Durchbiegung genannt) oder in einem kontinuierlichen Anstieg des Auslenkungswinkels bei konstanter Belastung. Dieses Phänomen wirkt sich direkt auf die langfristige Präzision und Zuverlässigkeit der Feder aus. Aus professioneller Sicht wird das erhebliche Auftreten von Kriechen bei Edelstahl-Torsionsfedern hauptsächlich durch die synergistischen Effekte der folgenden drei integrierten Faktoren beeinflusst.
1. Kritischer Temperatureffekt
Die Temperatur ist der Hauptfaktor, der bestimmt, ob Kriechen in erheblichem Maße auftritt. Obwohl Kriechen theoretisch bei jeder Temperatur auftritt, wirkt sich seine Geschwindigkeit erst dann wesentlich auf technische Anwendungen aus, wenn es einen bestimmten Schwellenwert überschreitet.
Schmelzpunktkorrelation: Die traditionelle Metallmaterialtheorie legt nahe, dass das Kriechen typischerweise etwa 0,4 Tm über der absoluten Schmelztemperatur des Materials signifikant wird. Rostfreie Stähle (z. B. die Serie 300) haben einen höheren Schmelzpunkt, aber da der Federdraht einer hohen Spannung ausgesetzt ist, ist die tatsächliche Temperatur, bei der das Kriechen auftritt, viel niedriger.
Betriebstemperatur von Edelstahl: Im Allgemeinen beträgt die empfohlene maximale Betriebstemperatur für eine Drehmomentfeder für standardmäßige austenitische Edelstähle (wie SUS 304 oder 302) etwa 250 °C bis 300 °C.
Wenn die Arbeitstemperatur unter 100 °C liegt, ist die Kriechgeschwindigkeit extrem niedrig und kann vernachlässigt werden.
Wenn die Arbeitstemperatur 150 °C übersteigt, insbesondere im Bereich von 200 °C bis 300 °C, werden Versetzungsbewegungen und Leerstellendiffusion innerhalb des Edelstahls durch thermische Energie aktiviert, was die plastische Verformung beschleunigt und dazu führt, dass sich Kriechen bemerkbar macht.
2. Die katalytische Wirkung hoher Stressniveaus
Unter den gleichen Temperaturbedingungen sind die angelegten Spannungsniveaus die primäre treibende Kraft, die das Kriechen beschleunigt. Bei Torsionsfedern bezieht sich diese Spannung insbesondere auf die Biegespannung.
Spannung und Streckgrenze: Kriechen ist insofern einzigartig, als es bei Spannungsniveaus auftritt, die weit unter der Streckgrenze des Materials liegen. Je näher sich die Spannung jedoch der Elastizitätsgrenze nähert, desto höher ist die Kriechgeschwindigkeit.
Federkonstruktion: Wenn bei der Konstruktion einer Torsionsfeder die maximale Arbeitsspannung einen kritischen Prozentsatz der Proportionalgrenze des Edelstahlmaterials überschreitet (z. B. 60 % oder 70 %), kann sich über einen längeren Zeitraum Kriechen ansammeln, was selbst bei Raumtemperatur zu erheblicher Dimensionsinstabilität führt. Hohe Spannung liefert die Aktivierungsenergie, die zur Überwindung des Gitterwiderstands erforderlich ist, und beschleunigt so das Auftreten von Versetzungskriechen.
Spannungsrelaxation: Bei Anwendungen mit konstanter Durchbiegung führt eine hohe Spannung direkt zu einer beschleunigten Spannungsrelaxation. Diese Entspannung äußert sich letztendlich in einem Drehmomentverlust, der der Hauptgrund dafür ist, dass die Feder ihre beabsichtigte Funktion nicht aufrechterhalten kann.
3. Anhaltende Ladedauer
Kriechen ist eine typische zeitabhängige Verformung. Je länger die Feder belastet bleibt, desto größer ist die kumulative Kriechdehnung.
Drei Phasen des Kriechens: Der Kriechprozess ist typischerweise in drei Phasen unterteilt:
Primäres Kriechen: Die Dehnungsgeschwindigkeit nimmt allmählich ab. Dies ist das Stadium, in dem die Kaltverfestigung bei der ersten Belastung der Feder vorherrscht.
Sekundäres Kriechen: Die Dehnungsgeschwindigkeit bleibt im Wesentlichen konstant. Dies ist eine Phase des Gleichgewichts zwischen Verhärtung und Erweichung (d. h. Erholung) und macht den größten Teil der Lebensdauer der Feder aus.
Tertiäres Kriechen: Die Dehnungsgeschwindigkeit steigt bis zum Bruch stark an. Bei praktischen Anwendungen von Drehmomentfedern ist diese Stufe grundsätzlich nicht zulässig.
Langfristige statische Belastung: Bei Anwendungen mit statischer Belastung, die die Aufrechterhaltung eines festen Winkels über längere Zeiträume erfordern, wie z. B. Ventilfedern oder bestimmte Klemmmechanismen, ist Zeit entscheidend. Selbst bei relativ geringer Spannung und Temperatur können kumulative Belastungen über Jahre oder sogar Jahrzehnte dazu führen, dass die bleibende Verformung der Feder die Toleranzen überschreitet.
4. Einfluss der Materialmikrostruktur
Die Mikrostruktur und der Herstellungsprozess von Edelstahldrähten haben entscheidenden Einfluss auf die Kriechfestigkeit.
Kaltverfestigung: Federdraht aus rostfreiem Stahl wird typischerweise einem hohen Anteil an Kaltziehen unterzogen, um eine hohe Festigkeit zu erreichen. Die durch Kaltumformung eingebrachte hohe Versetzungsdichte verbessert die Kriechfestigkeit bei Raumtemperatur. Wenn jedoch die Temperatur steigt, beginnen sich diese Versetzungen möglicherweise zu erholen, was die Spannungsrelaxationsleistung verringert.
Ausscheidungshärtung: Einige hochfeste Edelstahlsorten (z. B. Edelstahl 17-7 PH) nutzen einen Ausscheidungshärtungsmechanismus. Bei richtiger Wärmebehandlung und Alterung können sich feine Ausscheidungen bilden, die Versetzungen effektiv fixieren und die Kriechfestigkeit bei erhöhter Temperatur deutlich verbessern.